Donnerstag, 24. Juni 2010

Vorübergehend geschlossen.


Ich ziehe mich vorübergehend aus dem WWW zurück. Ich habe gemerkt, dass die Löschung meiner FB-Seite und die Privatisierung meiner MySpace-Seite nicht ausreichend war, um meinem Bedürfnis nach Rückzug und persönlichem Freiraum gerecht zu werden. Ich habe derzeit nichts zu sagen und komme erst wieder, wenn sich das ändern sollte. Gilt mit Einschränkungen auch für E-Mails.

Donnerstag, 17. Juni 2010

werbepausendichten III


dann wirfst du das wort in den raum
das ganz allein den staubsaugerbeutel füllt

ich habe angst vor spinnen und wage nicht
ihn zu öffnen diesen mund dieses herzloch

durch das alles hinausströmt

an einen ort den ich nie bewohnen wollte
mitten in deinem kopf mitten auf einem

spielbrett dem die hälfte der figuren fehlt


© Horlemann Verlag, 2013

Montag, 14. Juni 2010

Gefühle eines endlosen Tages


Heute habe ich einen alten Text wiedergefunden. Es war der erste Prosatext, den ich in meinem Leben geschrieben habe. Er wurde in einer Anthologie veröffentlicht, und dann habe ich ihn vergessen. Als ich ihn nun nach etlichen Jahren zum ersten Mal wieder gelesen habe, wurde mir bewusst, dass es noch immer der Text ist, der am meisten ICH ist, dass ich bei keinem späteren Text näher bei mir selbst war.
Ein Satz aus der Geschichte lautet: Manchmal wünsche ich mir, keine Gefühle zu haben und niemals wieder jemanden lieben zu müssen.
Das soll ich damals geschrieben haben?, dachte ich. Das habe ich doch gerade erst begriffen, erst gestern oder letzten Monat, meinetwegen letztes Jahr, aber doch keinesfalls schon damals!
Aber ich wusste es damals schon. Sonst stünde es ja nicht in diesem Word.doc aus dem Jahr 2001. Diese Erkenntnis hat mich sehr erschreckt, denn: Wie kann man das immer wieder vergessen, wo man es doch schon so lange weiß? Wie kann man die gleichen Fehler immer wieder machen, immer wieder lieben, immer wieder Vertrauen haben?

Hier ist der Anfang der Geschichte "Gefühle eines endlosen Tages", die bei mir in eine Endlosschleife getreten ist, in der sie sich auch heute noch ständig wiederholt, nur in Nuancen abgewandelt, in Nebenrollen, Uhrzeigern oder Fahrplänen:

>>Ein schnarrendes Geräusch, als die große Uhr vor dem Bahnhofsgebäude auf 7.14 Uhr springt. Ich stehe auf einer Straße, die keine ist, in einer Welt, die ich nicht mehr lieben kann. Menschen gehen an mir vorüber, sie sind blaß und durchsichtig, ihre Haare sind grau, ihre Gesichter zerknittert, ihre Augen trüb und leblos. Irgendwo hält ein Zug, die Leute steigen ein, weil sie nicht wissen, daß alle Züge immer nur im Kreis fahren. Ich weiß es, doch ich bin es müde geworden, Erklärungen abzugeben. Als ich eines Tages bemerkt habe, daß ich nicht mehr weinen kann, bin ich nicht einmal überrascht gewesen. Ich kannte das von den anderen. So fängt es immer an.
>>Ein Windstoß fegt ein paar der Papiermenschen davon. Es geht mich nichts an, doch es schmerzt mich. Ich sehe ihnen nach, als sie im Nichts verschwinden; es ist, als hätte es sie nie gegeben. Wieso habe ich versäumt, ihnen übers Haar zu streichen, einmal ihre Hand zu halten? Seltsam, jemanden nie gekannt zu haben und ihn so sehr zu vermissen.
>>Die schwere Kirchturmglocke schlägt dreimal. Ist es tatsächlich 7.45 Uhr oder bilde ich es mir nur ein? Kann ich den unzähligen Zifferblättern glauben, auf denen überall der kleine Zeiger kurz vor der Sieben steht? Meine digitale Armbanduhr sagt mir unmißverständlich, daß der Tag erst begonnen hat, obwohl ich so müde bin, wie man es eigentlich nur am späten Abend sein sollte.
>>Um mich herum spielen Kinder, ein blutroter Ball fliegt zischend durch die schwere, vom Nebel getrübte Morgenluft; fast kann ich ihn schreien hören. Ich sollte nach Hause gehen, denke ich, ich fühle mich heute nicht besonders. Aber wo ist mein Zuhause?
>>Die Kinder sind in ihr Spiel vertieft und nehmen mich überhaupt nicht wahr, obwohl ich mitten unter ihnen stehe. Plötzlich fliegt der Ball geradewegs auf mich zu, glitzernd spiegeln sich Fragmente des bleiernen Himmels auf seiner bis zum Zerreißen gespannten Haut. In einem Reflex strecke ich meine Hände nach vorne, um ihn aufzufangen, mir ist, als müsse er in tausend Stücke zerspringen, sollte er auf den gnadenlosen Asphalt der Straße auftreffen. Dutzende kleiner, spitzer Steinchen würden ihn gierig aufspießen, Löcher in ihn hineinbohren, bis er Sprünge bekäme, bis diese Sprünge Fortsätze ausbildeten, über ihn kriechende Spinnentiere, die seine Einheit in Millionen kleinster Bruchstücke zerbersten lassen würden.
>>Aber ich werde ihm dieses Schicksal ersparen, gleich wird er meine rettenden Hände erreichen. Ich greife zu, spüre schon seine feste, kühle Entschlossenheit zwischen meinen Fingern, als meine Hände plötzlich völlig unerwartet in ihm versinken, als ich nichts zu fassen bekomme außer einer brennenden Leere in meinen Handflächen. Hilflos sehe ich seine stolze Gestalt der Erde entgegenstürzen, bis er schließlich jammernd auf den Boden klatscht und beginnt, immer wieder in neue wahnwitzige Formen wechselnd, hinter mir auf den kalten, spitzen Steinen herumzukriechen. Ich starre verständnislos auf meine Hände, die ebenso verständnislos zurückblicken. Was ist geschehen?
>>Eines der Kinder ist inzwischen dem Flug des Balles gefolgt. Es rennt auf mich zu, scheint das Hindernis vor sich gar nicht zu bemerken. Ich will ausweichen, schaffe es jedoch nicht mehr. Mit einem lautlosen Aufschrei fließe ich, ohne irgendeine Art von Widerstand zu bilden, durch den mich durchdringenden Körper hindurch, und würde ich die heißen Tränen nicht spüren, die mir in diesem Moment in die Augen schießen, ich könnte nicht mehr an meine Existenz glauben.
[...]

Beim heutigen Lesen des Textes hatte ich den Eindruck, ich hätte die Geschichte anders beginnen lassen sollen, sie hätte schon an einem früheren Zeitpunkt des Tages einsetzen sollen. Morgens nach dem Aufwachen, wo man einen Augenblick lang glaubt, dass alles nur ein böser Traum gewesen ist. Wo man überzeugt ist, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um jemanden berühren zu können, der so selbstverständlich neben einem liegen sollte, dass es gar nicht anders sein kann.
Denn mit diesem ersten Moment steht und fällt alles. Der ganze endlose Tag.

Sonntag, 13. Juni 2010

8-#


Es gibt Tage, an denen ich die Protagonisten meiner Geschichten bis ins Letzte verstehe. Das sind die Tage, die mir Angst machen, weil es kein Limit mehr gibt und keine Konsequenzen, für nichts.

Samstag, 12. Juni 2010

tinnitus, tag achtzehn


schon stechen die absätze
in den ohren ihren stöckeltakt, erinnern
nur an das geräusch von eh und je,
das märchen von den roten schuhen, tanz,
tanz weiter, bis du deine füße nicht mehr
haben willst. ein fluchtversuch, das sammeln
verirrter kassiber oder auch: mit diesem
ekel füllst du deinen schlaf.

Dienstag, 8. Juni 2010

Sie haben 0 Punkte - Gönnen Sie sich eine Prämie!


Diese Nachricht erhält man, wenn man sein PayPal-Konto nicht nutzt. Ich habe heute also beschlossen, mir meine Prämie zu gönnen. Da PayPal bei genauerem Hinsehen findet, dass man mit 0 Punkten nur 0 Prämie bekommen kann, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Gar nicht so einfach! Im Leben bekommt man schließlich nichts geschenkt, schon gar nicht von anderen. Es sei denn, man bittet darum.

Ich habe darum gebeten. Als erstes um Pröbchen in der Apotheke, die bekommt man hier nämlich nur, wenn man rotzfrech danach fragt. Weil mich die Pröbchen aber nicht wirklich über den Tag gerettet haben, habe ich um noch mehr gebeten: an der Pommesbude um ein bisschen mehr Ketchup, beim Arzt um einen Termin, der eigentlich gar nicht mehr frei war, die Hundehalterin darum, dass sie ihren Fiffi von meinen hellen Hosen wegnehmen möge, und nicht zuletzt den Prospektausträger, seinen Mist nicht immer in meinen Briefkasten zu stopfen, auf dem doch so hübsche, selbstgebastelte Schildchen kleben, wo "keine Werbung" und "keine Zeitungen" draufsteht.

Auch wenn eine erfolgreiche Wirkung der letztgenannten Bitte sich erst in der Zukunft zeigen könnte, so darf ich alles in allem doch jetzt schon sagen:

Was habe ich mir heute nicht alles gegönnt für meine 0 Punkte. PayPal würde staunen...