Sonntag, 25. November 2012

Wahrheiten aus Täuschland


Das 22. Jahrbuch des Forums Hamburger Autoren erscheint in den kommenden Tagen. Ich war erstmals Teil der Jahrbuch-Redaktion; eine ganz wunderbare, wenn auch zeitintensive und bisweilen chaotische Erfahrung. Entstanden ist ein vielversprechendes und -haltendes Buch mit dem Titel "Wahrheiten aus Täuschland", das wie schon seine Vorgänger im Textem Verlag erscheint und von der Hamburger Kulturbehörde gefördert wird.

Inhalt:
Pünktlich zum Ablauf des Maya-Kalenders geben 13 Mitglieder des Forums Hamburger Autoren einen Einblick in ihre Wahrnehmung der Welt. Die Texte bewegen sich zwischen Wahrheit und Täuschung, die Grenze ist fließend. Fische wollen nicht sterben, Kinder nicht aufhören zu schreien und die Wutbürger halten Mahnwache. Ein Olivenbaum breitet seine Flügel aus, während andernorts beim Stehenbleiben des Glücksrads das Feuer eröffnet wird. "Wir haben uns nie zu fragen getraut, worin sich dein Märchen von der Wahrheit, von unserer Wahrheit, unterschied", heißt es in einem der Texte. Die Autoren des Forums trauen sich, diese Frage in ihren Entwürfen zu beantworten. Wahrheit ist relativ, aber zwischen den Zeilen überwindet sie bisweilen die Täuschung.



Wahrheiten aus Täuschland
Forum Hamburger Autoren: 22. Jahrbuch

116 Seiten, 7 Euro,
ISBN 978-3-86485-034-9,
Textem Verlag 2012


Mittwoch, 14. November 2012

Damenkränzchen mit Grog und Gebäck




Ohlsdorfer Friedhof mit Katrin und Jessica



Ohlsdorfer Friedhof, jetzt nur noch mit Katrin

Erkenntnisse:
- wiederholungswürdig
- schöne Männer küsst man gern
- nächstes Mal mehr Rum in den Tee

Dienstag, 30. Oktober 2012

Das Kalender-Nirwana


Neulich bei der Buchhandlung meines Nichtvertrauens im Wandsbeker Quarree ...

Ich kaufe jedes Jahr den Literarischen Katzenkalender von Schöffling. Selbst wenn die Welt untergehen soll und man deshalb ja gar keinen Kalender fürs nächste Jahr mehr bräuchte. Den Literarischen Katzenkalender 2013 zu erstehen, war mein erklärtes Ziel, als ich letzte Woche zu Thalia ging, der einzigen für mich unkompliziert zu erreichenden Buchhandlung.

Wie im vergangenen Jahr suchte ich die Kalender im Erdgeschoss, wo ich diesmal nur auf einige Hamburg-Kalender stieß. Der Wegweiser an der Rolltreppe bestätigte jedoch: Alle Kalender befinden sich im Erdgeschoss. Ich sah mich noch einmal ausgiebig um, fand aber keine sonstigen Kalendarien. Die Information war nicht besetzt, und nirgendwo lief jemand mit einem Namensschildchen herum. Also stellte ich mich an der Kasse an, um nach dem Objekt meiner Begierde fragen zu können. Eine Minute später:
- Guten Tag, ich suche den Literarischen Katzenkalender, aber ich kann hier nur ein paar Hamburg-Kalender finden.
- Die Kalender sind jetzt alle oben.
- Ach so. Ich hatte mich auf das Hinweisschild verlassen, wonach sie sich im Erdgeschoss befinden.
- Ja, die sind erst seit kurzem oben.

Und so rollte ich auf der Rolltreppe ins obere Stockwerk, um dort festzustellen, dass seit meinem letzten Kalenderkauf im Jahr zuvor das Kalendersortiment massiv erweitert worden war. Nämlich auf ungefähr 100 bis 120 verschiedene Kalendermodelle; Tierkalender, Landschaftskalender, Kunstkalender und vieles mehr, leider weder thematisch geordnet noch nach Verlag, kurz: ohne jede erkennbare Ordnung. Mir blieb nichts anderes übrig, als sämtliche Ständer, Wände und sonstigen genutzten Aufhängemöglichkeiten abzusuchen; ich habe selten so viele Winkel und versteckte Ecken gesehen wie in diesem Kalenderwirrwarr. Trotz umfangreicher Suche war kein Literarischer Katzenkalender auffindbar. Gleiches Spielchen wie bereits im Erdgeschoss: Die Informationsschalter waren nicht besetzt, und nirgendwo war jemand mit einem Namensschildchen zu sehen. Notgedrungen stellte ich mich nun auch hier oben an der Kasse an. Eine Minute später:
- Guten Tag, ich suche den Literarischen Katzenkalender, aber ich konnte ihn hier nirgends finden.
- Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen, da müssen Sie an der Information fragen.
- Die Schalter sind hier oben beide nicht besetzt, und der im Erdgeschoss auch nicht.
- Es gibt hier oben noch eine dritte Information, ganz hinten, hinter dem letzten Regal. Dort habe ich vorhin jemanden gesehen.
- Vorhin, aha. Und Sie können mir wirklich nicht weiterhelfen?
(Ich empfand die Frage als zulässig, da sich gerade kein anderer Kunde an der Kasse aufhielt.)
- Nein, tut mir leid.

Also machte ich mich auf die Suche nach dem beschriebenen dritten Informationsschalter auf dieser Etage, den ich dann auch fand, hinter dem letzten Regal und sogar besetzt. Die Mitarbeiterin war mit einer Kundin beschäftigt, die sich ausführlich beraten ließ. Einige Minuten später:
- Guten Tag, ich suche den Literarischen Katzenkalender, aber ich konnte ihn hier nirgends finden.
- Der müsste aber eigentlich da sein.
- Ich habe wirklich alles abgesucht.
Die Mitarbeiterin musterte mich, schien zu überlegen, ob die Stärke meiner Brille ausreichend war, und durchforstete dann ihren Computer.
- Ah, da ist er. Wir haben fünf Exemplare davon hier.
- Ja, aber wo denn?
- Der hing eigentlich immer da drüben.
Die Mitarbeiterin deutete quer durch den Raum, der Fingerzeig hätte auf die Platzierung fast eines jeden der 100 bis 120 Kalendermodelle am anderen Ende des Raumes zutreffen können. Das bemerkte sie dann wohl selbst.
- Ich komm mal mit Ihnen.
Und dann suchte sie. Zuerst am vermuteten Standpunkt, dann im näheren Umfeld, schließlich in sämtlichen Ecken und Winkeln des Kalenderwirrwarrs. Dabei zog sie immer mal wieder einzelne Kalenderexemplare beiseite, in der vagen Hoffnung, dahinter könne sich eine Literarische Katze verbergen. Ohne Erfolg.
- Tja, ich finde ihn auch nicht.
- Wonach sind die Kalender denn geordnet? Nach Themen ja nicht, nach Verlagen offenbar auch nicht.
- Anfangs hatten wir mal vor, sie nach Verlagen zu sortieren.
- Wäre eine gute Idee gewesen.
- Ich kann den Kalender für Sie bestellen.
- Aber laut Computer gibt es hier doch fünf Stück!
- Tja, aber wo ...
- Ja, wo nur??
- Wie gesagt, ich bestelle ihn gern für Sie.
- Aber wer garantiert mir denn, dass der bestellte Kalender dann beim Abholen auffindbar ist? Ich besorge ihn mir doch lieber über Amazon.
(Zugegeben, das war ein bisschen gemein von mir, da die Mitarbeiterin durchaus bemüht gewesen war, aber ich bin eben auch nur ein Mensch.)

Unter ihrem pikierten Blick verließ ich die Buchhandlung meines Nichtvertrauens; nach immerhin knapp zwanzig Minuten, ohne ein einziges Buch in der Hand gehabt zu haben und ohne den Literarischen Katzenkalender 2013, der in fünffacher Ausfertigung in den Untiefen der Buchhandlung verschollen blieb. Vielleicht war das ja ein Zeichen. Für den kommenden Weltuntergang oder so. Man wird sehen. Der Untergang des Buchhandels ist ohnehin längst beschlossene Sache.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Ich sehe was, was du nicht siehst


Menschen, die ausdrücklich gesagt haben, dass sie mich nie im Leben wiedersehen wollen, tun sich keinen Gefallen, wenn sie weiterhin meinen Blog aufrufen oder bei Twitter meine Tweets lesen. Sie sehen dann nämlich nur, was sie sehen wollen, selbst wenn da gar nichts Entsprechendes ist, was es zu sehen gäbe.

Wer nichts über mein jetziges Leben weiß, muss sich nicht wundern, wenn das Internet ihn zu Trugschlüssen führt.

Übrigens: Ich komme auch mit unangenehmen Inhalten klar. Blog-Kommentare werden nur dann von mir gelöscht, wenn sie unbegründete Beleidigungen enthalten. "Verlogene Scheiße" sozusagen.

Freitag, 17. August 2012

Pussy Riot - Punk Prayer


Ich bin ja nicht gläubig.
Ich glaube nur, dass Putin weg muss.



Mittwoch, 4. Juli 2012

"Migranten hassen Hunde"


Neulich nach der Arbeit, im überfüllten Bus. Eine Frau mit großem Hund steigt ein. Ein Mann tritt zur Seite und überlässt dem Tier die Hälfte seines Stehplatzes.
Frau: "Da brauchen Sie gar nicht so böse zu gucken. Ich fahr 35 Minuten mit, bis Endstation."
Mann: "Aber ich schaue doch gar nicht böse."
Frau: "Doch, doch, Migranten hassen Hunde!"
Mann: "Aber nein ..."
Frau: "Ganz besonders die Afrikaner, die hier immer mitfahren!"
Die Frau beginnt einen umfangreichen Monolog über soziale Randgruppen mit Migrationshintergrund und deren Auftreten in der Buslinie 9.
Ich steige aus, im doppelten Wortsinn. Der "Migrant", dem ich akzentfreies Deutsch bescheinigen würde, hört derweil weiter der schwadronierenden Dame zu und bleibt die Ruhe in Person; vielleicht wegen des großen Hundes, vielleicht auch einfach deshalb, weil er ein netter Mensch ist.

Nach dem Aussteigen muss ich einen Park durchqueren, um zu meiner Wohnung zu gelangen. Es ist ein Park, in dem zu dieser Uhrzeit die Hunde den Menschen zahlenmäßig überlegen sind und das Zigarettenvorkommen seinen Tageshöchstwert erreicht. Meine Theorie ist ja, dass die meisten Hundehalter sich deshalb für einen Hund als Haustier entscheiden, weil sie mit ihrer Fluppe ohnehin an die frische Luft gesetzt werden. Da schlägt man mit einem Tier, das so geartet ist, dass es nicht alleine nach draußen geschickt werden kann, natürlich zwei Fliegen mit einer Klappe.

Ich kämpfe mich also durch das, was Martin Rütter als "Quatsch-Geh-Runde" bezeichnet; im Rudel auftretende Hundebesitzer mit jeweils mindestens einem Kläffer an ihrer Seite. Natürlich steht man nicht auf der Wiese, sondern blockiert den Parkweg in Gänze - und selbstverständlich an einer der Stellen, wo sich eine Brücke befindet, so dass der gemeine hundelose Mensch keine Chance hat, auf die Wiese auszuweichen, sondern sich mitten durch den tratschenden/bellenden/knurrenden Pulk quetschen muss (und durch die Rauchschwaden der Glimmstengel). Wenn sich das Viechzeug dabei hochinteressiert dem zickzackgehenden Fremden widmet, ist keinerlei Intervention seitens der Besitzer zu erwarten. Dass sabbernde Hundeschnauzen an den Hosen nicht jeder mag, auf die Idee kommen Hundehalter nie.

Im Innenhof meiner Wohnanlage angekommen, kann ich endlich relaxen. Hier gibt es nämlich keine Hunde. Nur Kater Whisky sitzt wie üblich im Hof und wartet auf Einlass ins Nachbarhaus. Kriegt ein paar Streicheleinheiten und einen Katzenstick von mir, weil er mich für das tägliche Leid mit den Kötern entschädigt.

Falls es noch nicht deutlich genug geworden sein sollte: Ich hasse Hunde. Insbesondere das, was ihre unfähigen/rücksichtslosen/fahrlässigen Herrchen und Frauchen aus ihnen machen. Vielleicht sollte ich auswandern, dann könnte ich dem Satz "Migranten hassen Hunde" alle Ehre machen. Ich fange also schon mal an, Knoblauch zu essen und mich nicht mehr zu waschen. Das muss man so halten als Migrant. Die Schreckschraube aus dem Bus jedenfalls würde das bestimmt sofort unterschreiben; darauf wette ich zehn Katzensticks.

Montag, 4. Juni 2012

Inoffizieller Abschlussbericht


Irgendetwas fehlt noch. Nach meiner Rückkehr aus Mallorca hatte ich ständig das Gefühl, alles mögliche nicht festgehalten zu haben. Deshalb gibt es nun hier, fernab des offiziellen Arbeitsberichts an die Kulturbehörde, eine Zusammenfassung von überaus individuellen Eindrücken und Anekdötchen, die aus dieser besonderen Zeit stammen.

Habe ich in den ersten Tagen unserer Anwesenheit in Frau V.s wunderprächtiger Finca noch mit dem einzigen in Inca erhältlichen Heizlüfter für 36,99 € geliebäugelt, so wurde es nach einer Weile dann ja doch warm genug, um die T-Shirts auszupacken. Es hätte noch famoser sein können, wenn ich nicht als seit Jahren ausschließlich in Nordseegefilde Verreisende unbemerkt eine Sonnenallergie entwickelt hätte, die mir nun einen grässlichen Juckreiz bescherte. Fenistil war fortan mein ständiger Begleiter, und braun bin ich trotzdem nicht geworden, eher so etwas wie eine kuriose Mischung aus eierschalengelb, hellbeige und jeder Menge neuer Sommersprossen.

Ob der Erzherzog Ludwig Salvator auch so empfindliche Haut hatte? Er wirkt auf Darstellungen immer etwas blässlich. Dabei lädt sein Anwesen zum Lustwandeln in der Sonne ein. Man kann sich dort aber auch ein Schattenplätzchen suchen.



Geht natürlich auch in gekonnter Autorenpose:



Doch zurück zu "unserem" Anwesen. Hätten Hamburger Mietshäuser solche massiven Wände wie die Finca, gäbe es wahrscheinlich kaum noch Beschwerden über nachbarschaftliche Lärmbelästigung. Die Bauweise der mallorquinischen Türen und Fenster allerdings ist gewöhnungsbedüftig. Bei stürmischem Wetter klingeln trotz geschlossener Türen, Fenster und Fensterläden die schmucken Plättchen der Esstisch-Deckenlampe im Wind. Folglich lassen sich die lamentierenden Hähne im näheren Umfeld, die sich zwischen vier und sechs Uhr morgens gegenseitig verrückt machen, akustisch auch nicht wirklich aussperren.

Aussperren aus dem Garten der Finca kann man sie übrigens ebenfalls nicht. So fühlte ich mich an meinem Outdoor-Arbeitsplatz unter einem Johannisbrotbaum zuweilen beobachtet, drehte mich um - und sah dann einen ganz bestimmten Hahn samt seiner stets im Dreierpack auftretenden Hühnerschar hinter mir auf der Terrasse stehen. Nahezu geräuschlos beäugte man mich und fand es sehr irritierend, den Platz unter dem Baum, wo es sich gar herrlich picken und scharren lässt, einmal nicht für sich allein zu haben.

Ich sei eine Insel für mich, meint G.

Grund genug, um mich zu fragen: Passt eine Insel auf eine Insel? Obendrauf, mittenrein oder wieauchimmer?

Die Antwort muss lauten: Nicht ohne Fahrrad! Ein solches existierte zwar einst in der Finca, wurde aber letztes Jahr am Bahnhof von Inca entwendet. Die Polizei empfahl Frau V., sich auf den sonntäglichen Markt in Consell zu begeben, um dort für kleines Geld ein geklautes Fahrrad zu erwerben. Polizeiliche Förderung der Hehlerei sozusagen. Den durch Frau V. an uns weitergegebenen Tipp haben wir nicht umgesetzt, jedoch weniger aus Gewissensgründen, sondern weil ein Fahrrad nicht in unser Auto gepasst hätte und ich die 30 km von Consell zurück zur Finca meinen unberechenbaren Gelenken auf einem mit Muskelkraft zu betätigenden Vehikel nicht zugetraut habe. Aus den gleichen Gründen (und aufgrund der horrenden Mietpreise) kam ein Mietfahrrad nicht in Frage. Festzuhalten bleibt: Es scheint eine vermietungs- und hehlerfreie 30 km - Zone um die Finca herum zu existieren, zumindest in Bezug auf Fahrräder.

Das allerdings hält die Sportbegeisterten nicht ab. Die Hardcore-Radler gehören zum Landschaftsbild dazu. Meist im Rudel auftretend, quälen sie sich mit Vorliebe die Serpentinen hoch und werfen ihre leeren Trinkflaschen an den Straßenrand. Letzteres jedoch in aller Regel nur bei offiziellen Rennen, für die gerne mal unter Einsatz von Verkehrspolizisten irgendwelche Kreisverkehre abgesperrt werden, so dass man Umwege fahren muss, die man, wie könnte es anders sein, selbst herauszufinden hat.

Ach ja, die Verkehrspolizisten. Sie regeln nicht nur bei Radrennen, sondern auch nach Schulschluss und zu weiteren, mir unbekannten Anlässen. Es ist nicht verwunderlich, dass bei einer offenkundig stiefmütterlichen Behandlung von Hehlerei-Delikten derart viele Polizisten für die Verkehrsregelung eingesetzt werden. Irgendetwas müssen sie ja tun. So hat jedes Land seine Beschäftigungstherapie: Auf Mallorca regelt man den Verkehr, in Deutschland eskortiert man lieber, wie vergangenen Samstag in Hamburg, die Nazis bei ihren Demos.

Es gibt unendlich viele Grautöne auf dieser Welt.



Und so viele Möglichkeiten, dass man sich glatt verzetteln könnte.



Ich hätte keine Esskultur, konstatiert G. und stellt mir eine Untertasse für mein Kaffeegedeck hin.

Wie gut, dass wir eine Spülmaschine hatten. Der untere Teil war manchmal zu einem Viertel gefüllt mit Untertassen. Wenn die mal nicht abheben und einem um die Ohren fliegen! Das kann passieren, wenn man zuviel Túnel trinkt, den leckeren mallorquinischen Kräuterlikör. Wir haben eine 0,7 l - Flasche während unseres Aufenthalts geleert. Das ist gerade genug, um einmal täglich eine kleine Inspiration zu beziehen, aber die Untertassen am Boden zu halten.

Bodenständig war auch Antonia. Sie wollte nicht lächeln, sondern nur die Betten machen. Der jeweilige Zeitpunkt ihres Erscheinens war ein Mysterium, das keiner Gesetzmäßigkeit folgte. Dabei fällt mir ein: Die Gesetze, ein schönes Buch von C. Palmen, das ich in der Finca-Bibliothek erstöbert habe. Das erste Kapitel etwas zu langatmig, das letzte irgendwie unbefriedigend, dazwischen das Paradies.

Und sonst? Kater Roig, wohnhaft bei den Tropfsteinhöhlen von Campanet, sollte nicht unerwähnt bleiben. Dieses rotgetigerte Pelztier geht nur vor aufsässigen Kindern durch und ist ansonsten ein gegenüber Fremden sehr aufgeschlossener Zeitgenosse. Sogar noch mehr als die ca. zehn anderen Katzen, die dort leben. Wenn ich etwas Tierisches von Mallorca hätte mitnehmen dürfen, wäre es Kater Roig gewesen.

Den Kater habe ich nicht fotografiert. Dafür aber dieses possierliche Tierchen:



Ich kann verstehen, warum man nach Mallorca zieht. Ich kann auch verstehen, warum man wieder zurück kommt. Unter anderem ist das Essen ist ein guter Grund fürs Zurückkommen. Das einzige, was ich davon vermissen werde, ist die Gazpacho. Und zwar die Billigmarke des Eroski-Supermarktes. Nein, wirklich, dagegen lässt sich nichts einwenden. Endlich weiß ich, wie man Gemüse essen und gleichzeitig auch noch mögen kann. Nächstes Wochenende kaufe ich mir einen Pürierstab. Ganz abenteuerliche Mischungen und Würzungen werden in meiner Küche entstehen, ich seh’s schon vor mir. Immerhin bin ich auch die Erfinderin der Knabberkarotten mit Senf-Dip!

Du musst Liebesromane schreiben, sagt G.

Dies nach der Lektüre eines Manuskripts von mir, das ursprünglich ein Nicht-Liebesroman sein sollte. Ich schreibe ja lieber Nicht. Nicht-Liebesromane, Nicht-Jugendbücher und so weiter. Mit dem Nicht begeistert man selten Verlage, aber ich bin eben eher Nicht.

Deshalb liegt das Nicht in meiner Schublade und wandelt sich manchmal nach Jahren zum Weniger-Nicht. Man soll dem Leser schließlich Perspektiven geben. Und sich selbst.



Am Ende also wird alles gut. Man ist wieder zu Hause und hat gelernt, das Selbstverständliche zu vermissen, weil es woanders nicht selbstverständlich ist. Man hat Nicht zu Weniger-Nicht gemacht und ist sich ein bisschen mehr im Klaren darüber, was man eigentlich möchte.

Und wenn die Sonnenallergie zu schlimm wird, findet man Trost in dem Wissen, dass irgendwo garantiert Schatten ist. Man muss ihn nur finden.



Mittwoch, 30. Mai 2012

Tag #28


Morgen geht es zurück nach Hause. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge, und ohne Angst vor dem Flug. Beängstigend ist doch eher der Zustand nach dem Fliegen.

flugangst

die träume vom ertrinken endeten mit dem
erwachsenwerden; enge räume, die sich mit
wasser füllten. ich kannte den grund, ich wäre
einmal fast ertrunken, vergaß irgendwann,
ob im erinnern oder im traum. dann begann
das fliegen, unter zimmerdecken zunächst,
schließlich draußen, das immergleiche gefühl
im moment des aufwachens; eine ahnung,
das herz verloren zu haben an etwas so viel
größeres. an die landungen erinnere ich mich
nicht, nur an plötzlich einsetzenden schwindel
und die schwerkraft, die mich unendlich tief
in die matratze zieht beim öffnen der augen.


© Horlemann Verlag, 2013

Dienstag, 29. Mai 2012

Tag #27


gedichte, die nicht geschrieben wurden

heute möchte ich raum geben: der libelle, die sich
in das blau des pools verliebt hat und es stundenlang
überfliegt. dem lachen des einzigen mallorquiners,
den ich lachen gesehen habe. dem tiefsten summen
eines insekts, das ich im leben hören werde. jener
grenze, an der das grün der bäume sich ins blaue färbt
unter den wellenlängen des lichts. den olivenbäumen,
die sich unter keinen umständen aufgeben. dem haus,
das am wegrand klebt, weiß und zu verkaufen wie
so vieles. dem frühstücksblick auf die berge und den
schatten der wolken, die über die gipfel ziehen. allem,
was ich hier vermisst habe, ohne vorher zu wissen,
dass ich es vermissen würde. dem, was mich morgens
viel zu lange schlafen ließ, weil es geträumt werden
wollte, um in einem neuen tag verstanden zu sein.

Montag, 28. Mai 2012

Tag #26




ringsum nichts als welt

in diesem leben beult sich mein gesicht nach links
bis ich es nicht mehr erkenne die haut spannt sich
wie die saiten einer gitarre lange wird es nicht
gelingen meine hände sichtbar zu machen ich bin
alles andere als niedergeschrieben in meinem kopf
habe ich worte wie korn auf den feldern wie blut
in der geschichte ich habe schmerzen für zehn
verwundete soldaten vor meinen augen liegen die
bilder in der schräge ab dem morgengrauen bin ich
zwischen allen stimmen die eine die noch schweigt

Sonntag, 27. Mai 2012

Tag #25


Jetzt schon länger als jeder gängige Adventskalender. Kaum zu glauben.

sin

wie häufig man ein wort benutzt, merkt man erst
in fremder sprache, vermutlich sollte es besser
ein anderes wort als ohne sein, mehrmals pro tag
verwende ich es, um mich zu definieren, meinen
bedarf auszuloten, beim einkaufen will ich ohne
dies und jenes, im restaurant muss man mich ohne
zufriedenstellen können, ohne alles am liebsten,
wie oft man ein wort benutzt, ohne zu sagen, was
man möchte, die wünsche hinter die nicht-wünsche
zurückstellt, wann bin ich bloß zu diesem ohne
geworden, das mich derart schlüssig beschreibt,
dass ich mich selbst vergessen konnte, allmählich
verlernt habe, wer ich ohne diese beiden silben bin.

Samstag, 26. Mai 2012

Tag #24


fornalutx / mann unter baum sitzend

am besten findet man zum friedhof das schönste dorf der insel hat sich
aus dem staub gemacht se vende an den alten restaurants ein paar
wenige haben es noch nicht gemerkt und sich in positur geworfen
mit kameras die nur spärlich motive finden aus der not heraus
setz dich mal dorthin ein baum mit einer bank drumherum ist passabel
fürs familienalbum und wenn du mal lächeln würdest könnten wir
den enkeln was erzählen etwas wie wir sind dort gewesen wo man
gewesen sein muss
es gibt stufen auf denen man sich problemlos
den hals brechen könnte aber die schöne aussicht macht es wieder wett

Freitag, 25. Mai 2012

Tag #23


Auf andere kann man sich selten verlassen. Gelegentlich nicht einmal auf sich selbst. Bleiben noch die Naturgesetze. Oder?

diskussionsgrundlage

die stunden sind etwas in sich selbst verschobenes
ohne feste kontur, das fehlen der rituale verändert den tag
und schließt sich in den schatten vor dem bergkamm,
die gegen abend emporwachsen, sich an felsvorsprüngen
verdächtig machen; es kommt vor, dass ich mit ihnen
streiten möchte, ihre gesetze anzweifle und selbst noch
vor dem einschlafen argumentiere, wenn längst dunkelheit
herrscht; auch an ihr möchte ich etwas verändern, jede
unstimmigkeit, die sich gegen meinen traum erhebt.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Tag #22




[...] wo liegen die erklärten begrenzungen
unserer träume wenn die nacht nicht lang genug ist
für die angst nicht lang genug um zu vergessen
was man liebt wofür man den atem aufsparen
möchte wie eine allerletzte grenze zur welt

Mittwoch, 23. Mai 2012

Tag #21


inbesitznahme

ich kenne die farbe ihres lippenstiftes, der sich
an den gläsern hält, vor allem an den grünen,
bestätigt von einem foto, auf dem ich ihn
wiederzuerkennen glaube. daneben jede menge
missverständnisse und die nichtbenutzung
der töpfe und pfannen aus vielerlei gründen,
davon der beste: ich möchte keine fotografie
auf meiner kamera, die etwas so profanes wie
den inhalt einer küchenschublade zeigt. ein leben
in fremden räumen, die einer vorgegebenen
ordnung folgen, während ich die struktur von
einem tag zum anderen trage, immer vertrauter
mit ihren spuren, bis sie zu den meinen werden.

Dienstag, 22. Mai 2012

Tag #20


memo, sonstiges

habe wieder angefangen, geröstete sojakerne zu essen,
eine angewohnheit, die ich mir abtrainiert hatte vor mehr
als zehn jahren. hasse fotografieren noch genauso wie
früher, habe jedoch aufgehört, mich zu verstellen. gebe
seltener vor, jmd. zu sein, der ich nicht bin. (?) kann jetzt
besser zielen als noch vor ein paar wochen, ursache
unbekannt. habe mir vorgenommen, die alten tagebücher
zu vernichten, sobald ich zu hause bin, und den nachbarn
als arschloch zu beschimpfen, wenn er wieder lügen
über mich verbreitet. werde von nun an lieber selbst
gerüchte über mich streuen, vorzugsweise solche, die
außer mir (!) niemanden interessieren. sollte diesen blog
regelmäßig fortführen, werde es aber nicht tun. 1. juni:
sofort nach dem büro losgehen und sojakerne kaufen. (!!!)

Montag, 21. Mai 2012

Tag #19


Gewitter, Hagel sowie ein Wind, der durch alle Ritzen der Finca schießt, inspirieren mich nicht sonderlich. Man sehe es mir nach, dass ich ohne direkte Sonneneinstrahlung nur auf Sparflamme schreibe.

beheizbare schlafräume

in meinen fingerspitzen die taubheit beim anschlag
der tasten, rinnsale finden durch fenster und türen
trotz geschlossener läden, hier ist ein blitz so hell
wie der tag und die hagelkörner so groß wie etwas,
das man essen würde, wenn es keinen thunfisch
enthielte. ich kann froh sein, es in dieses jahrhundert
geschafft zu haben, mit genug kortison im gepäck
und der möglichkeit einer heimkehr in beheizbare
schlafräume. hier muss ich enden, die finger sind
nicht länger ein teil von mir, es ist mir nicht möglich
zu schreiben, ohne all meine wärme abzugeben,
die ressourcen zu verbrauchen bis nichts mehr bleibt.

Sonntag, 20. Mai 2012

Tag #18




märchen aus aller welt

trage ein gespenst in den rippenbögen diesen
albtraum der längst festgeschrieben ist
mit dunkel sich auflädt oder kälte
darin sind wir einander gleich
bis ins aufwachen bis
in den schweiß


© Horlemann Verlag, 2013

Samstag, 19. Mai 2012

Tag #17


Ich habe meine Vorliebe für mallorquinischen Kräuterlikör entdeckt. Zum erstmaligen Konsum wurde ich selbstverständlich angestiftet. So ist das ja meist mit Lastern, die man erst im Alter von 34 Jahren entwickelt.

in mir eine pflanze

die vegetation will mich täuschen, hier ist der mittelpunkt
einer wüste, ein feiner roter staub, der meine hände färbt
beim schreiben. ich steuere dagegen mit grünem schnaps,
esse herabgefallenes von sträuchern und bäumen, in mir
wächst schleichend eine pflanze heran, von der kein arzt
wissen will. mithin erzähle ich von gefälligen dingen, so
beschreibe ich die krankheit, ohne sie zu nennen. ich lüge
selbst dann, wenn ich vorgebe, die unwahrheit zu sagen,
das kommt von meiner pflanze, die ein johannisbrotbaum
werden könnte, der mir aus dem magen bis in den rachen
emporwächst oder vorerst unbemerkt zwischen den zehen
hervorsprießt wie ein übelriechender pilz, über den man
sich ausschweigt. regelmäßig inspiziere ich nun sämtliche
gefährdeten teile meines körpers und befreie sie vom roten
staub, unter dem das wachstum nach außen beginnen wird.


© Horlemann Verlag, 2013

Freitag, 18. Mai 2012

Tag #16


Kloster Lluc, 11 Uhr: Der Knabenchor singt. In aller Regel.
Finca Can Romani, 11 Uhr: Ich beim Frühstück. Aber egal, wie sich später herausstellte, weil...

>> heute singt der knabenchor nicht <<

zuviel silencio und alle hinweise ohne begründung
nur nichts hinterfragen immerhin hat der parkplatz
eine begabung zum geldverdienen jedes ave maria
wird sich flugs die schwarze madonna einverleiben
ich bin eine touristin flüstere ich in ihr dunkles ohr
die nicht an dich glaubt das ist abgegolten mit den
vier euro auf dem plarkplatz ganze 500 meter über
dem meeresspiegel wo sogar nutten stehen könnten
ohne aufzufallen ich weiß warum ein kloster mich
nicht haben will sage ich zur madonna beim gehen
und kenne mindestens drei tote verwandte die mich
verstoßen würden wenn sie nicht im himmel wären

Donnerstag, 17. Mai 2012

Tag #15


taktung

ich habe einen sonnenbrand, den nur ich
sehen kann, einen rotstich über den zähnen,
du würdest mich nicht erkennen ohne meine
streunenden katzen, die ich täglich mit mir
herumtrage. wenn es stürmisch wird zum
abend hin, lasse ich die fliegen ins haus,
die fensterläden schlagen in unbekanntem
takt, nebenan schritte aus einem material,
das mir niemand beibrachte. es kann nicht
lange dauern, bis das obst ausgeht wie alles
andere, die vögel am morgen meinen schlaf
nicht mehr unterbrechen. die fensterbänke
verbreitern sich über nacht, sie wachsen
bis zum fußende meines bettes, ich kann sie
nicht mehr umgehen, ohne mich zu stoßen.


© Horlemann Verlag, 2013

Tag #14




[...]
nichts ähnelt uns noch auf dem weg
ins niemandsland mit anvisiertem ziel

unter den wellen unseres atems liegen
alle irrtümer eines behaupteten anfangs

Dienstag, 15. Mai 2012

Tag #13


was ich niemals sagen würde

wovon ich geträumt habe, wenn du neben mir lagst. dass ich deinen
schlaf beobachtet und die worte gedacht habe, die du nicht von mir
hören wolltest. dass ich mitgezählt habe, wie oft ich nach nebenan ging,
um an diesen worten nicht zu ersticken. wem ich von uns erzählen
wollte. und so viel später, als alles anders war: wie oft ich mittags
vor diesem gebäude stand und hoffte, du würdest nur ein einziges mal
zu früh herauskommen, mir in die arme laufen. wie oft ein tag zu ende
geht, ohne dass ich deine nummer aus dem telefon lösche. dass ich nie
aufgehört habe zu hoffen, selbst jetzt nicht, wo alles, was in meinem
gedicht begann, in deinem song enden musste, selbst morgen nicht,
von dem ich noch nicht wissen kann und von dem ich dennoch ahne,
wie es stattfinden wird: als wiederholung von heute und gestern und
immer mit deinem namen im kopf. dass ich meinen körper gegen
die härtesten wände werfe, solange es niemand sieht, niemand,
der wissen dürfte, dass ich mein eigenes blut betrachte, tiefer mit
jeder stunde, und mich frage, warum es seine farbe nicht verändert,
warum es niemals zur neige geht, wo doch alles andere an seine
grenzen stößt, selbst der tod, um den ich vor dem einschlafen bitte,
wenn andere leute die hände zum gebet falten: ich glaube nicht
an einen gott, ich glaube nur an alles, was man verlieren kann, und
dass jeder überlebte tag ohne dich ein scheitern bedeutet. wie jedes
geräusch sich verzerrt, wenn du nicht in meiner nähe bist. dass ich
meinen ipod zu hause gelassen habe, weil ich keine musik mehr höre,
seit es dich nicht mehr gibt. dass ich mir jeden tag wünsche, dich
nie kennengelernt zu haben und es jeden tag aufs neue zurücknehme.
wem ich noch immer von uns erzähle. dass ich mir vorstelle, wie unsere
gemeinsamen kinder ausgesehen hätten. dass ich dialoge entwerfe und
dich antworten geben lasse, die mich zum lächeln bringen. welche orte
ich aufsuche, wenn ich dich vermisse. wie ich mich bemühe zu atmen.

Montag, 14. Mai 2012

Tag #12


aus dem gleichgewicht geratene spinnen

an solchen tagen fehlen mir die worte, und alles
bringt mich zurück an einen ort, den ich nur in
meinen träumen erkenne. es gibt eine sprache,
die ich beherrsche, doch jene dinge, auf die ich
vertrauen konnte, zählen nicht. aus dem mund
strömt das geräusch verirrter insekten, ich werde
innerhalb von sekunden erwachsen, verändere
die art, wie ich meinen kopf neige. manchmal
lausche ich nach den spinnen, die ihr netz weben,
sie werden hörbar, wenn man lang genug wartet.

- Für Bess -


© Horlemann Verlag, 2013

Sonntag, 13. Mai 2012

Tag #11




els calderers

die touristen kommen nicht erst am ende, in allen zimmern
hat jemand gelebt, in einem ist der frieden spürbar. nichts
ist ohne funktion, so wird berichtet, die gebrochenen hände
auf den tasten des klaviers führen sicher zu granaten und wein.
ein wechsel der jahreszeiten wäre denkbar, temperaturgefälle
zwischen den welten, aber satt wurde man schon immer und
noch heute geht man auf zwei beinen nach draußen. dort
mischen sich paarhufer unter zaungäste und anderes getier,
die busse mit laufendem motor warten auf geheime zeichen.


© Horlemann Verlag, 2013

Samstag, 12. Mai 2012

Tag #10


Mein bevorzugter Arbeitsplatz im Garten ist an keinem dafür vorgesehenen Ort. Ich schreibe drei Meter über einem Weg, auf vier kleinen Füßchen, hinter einem lockigen Vorhang.

windrichtung

um den kopf schreiben die fliegen geschichte
mit strähnen im gesicht und fern der augenpaare
aller nachbarn die erfunden wurden an diesem
klapptisch das bellen der hunde einer bestimmung
zuzuführen ein denken in verkehrter richtung
mit der windhose am steiß und einer gewöhnung
durch das haar hindurch zu schreiben so etwas
lässt sich nicht wieder umkehren zu hause werden
fön und ventilator im rücken aufzustellen sein

Freitag, 11. Mai 2012

Tag #9


alle tage

die löffel haben andere rundungen, passen nicht
in meinen mund. aber die pflanzen gewöhnlicher
als erwartet. ich kann nicht mehr ohne die glocken
der schafe. heute auch tagsüber der mond zu groß
am himmel: das stimmt so nicht, an jeder ecke
denke ich das. mir wachsen büsche aus den ohren
wie heu, der übergang von knorpel zu knochen
wird spürbar. auf der terrasse nun täglich ein toter
spatz, die aussterbenden arten setzen sich fort
in den gärten. was gäbe ich um das ausschwitzen
der lähmenden gifte, die in mir ihre kreise ziehen.


© Horlemann Verlag, 2013

Donnerstag, 10. Mai 2012

Tag #8


Im Garten steht ein merkwürdiges Gewächs, an dem rote Klobürsten wachsen. Jedenfalls erscheinen sie mir als solche. Für G. sind es Flaschenbürsten. (Was sagt das über mich aus, außer dass ich noch nie eine Flaschenbürste benutzt habe?)
Nun gut, ich habe soeben nach diesem Baum gegoogelt, und er heißt tatsächlich "Flaschenbürstenbaum". Also will ich heute mal albern sein.

ode an die bürste

dein bürstenschnitt aus der haushaltswarenabteilung
die heutige neueröffnung von lidl kann ausgelassen
werden auf dem berg ohne die sieben zwerge deine
kratzbürstigkeit in hundertfacher ausführung zwingt
den gärtner in die knie und rot ist mehr als eine farbe
wenn man dich gesehen hat will man keine anderen
pflanzen mehr neben sich haben und lidl erweitert
das sortiment um tomatenmarmelade und gala royal



Mittwoch, 9. Mai 2012

Tag #7


Ich bin froh, dass ich heute in Sineu den Tiermarkt nicht gesehen habe.
Und das Fohlen, das G. vor einigen Tagen unten am Weg in einer Koppel gesichtet hat, ist verschwunden. Vielleicht ist es im Stall. Auf jeden Fall aber ist es, als wäre es nie da gewesen.

hirngespinst

ich habe das neugeborene fohlen nicht gesehen, kann
kaum noch an seine existenz glauben neben dem müll
in den tonnen am straßenrand, dort kann man sich nie
verlaufen, immer nur stoppschilder überfahren, jedes
mal aufs neue, wenn man wollte, könnte man beinahe
alles an falsche orte bringen, ich stelle mein bett ganz
lautlos in den pool, wenn niemand hinsieht, und trage
den sekretär bis ans ende des grundstücks, das fohlen
wird in meinem schlafzimmer leben und sicher meine
letzten galletas fressen, an einem mittwoch werde ich
an meinem hunger sterben, es wird nicht weh tun, nur
so sein wie ein tritt auf einen kleinen stein mit bloßen
füßen, dieses ziehen aus der tiefe bis unter den spann

Dienstag, 8. Mai 2012

Tag #6




[...] aber die linse hält: den schmalen
meerstreifen vor der sandbank, sich abzeichnend
wie der arm jenes flusses, den man als kind
durchschwamm und dessen bild man heute abruft
als langfristig abgespeicherten rückblick, der in
verfälschten proportionen die erinnerung durchfließt

Montag, 7. Mai 2012

Tag #5


zeitfenster

kein gegenstand der mir heute nicht
unter den händen zu etwas anderem wird
wie luftmassen gestapelt im tag oder
stille die sich sammelt in einem zeitfenster
und durch die haut nach innen wächst
ein kalter dorn bei 25 grad kein wort
das heute nicht an meinen lippen fremdelt
wie du mir fehlst würde ich sagen wenn
du greifbar wärst und stell mir vor wie
dein erinnern jetzt an meinen zeilen hängt
während du denkst sie ist nicht hier doch
kehrt vielleicht als eine andere zurück


© Horlemann Verlag, 2013

Sonntag, 6. Mai 2012

Tag #4


Heute ist ein Regentag. Aber das macht nichts, denn gestern habe ich in Can Picafort meine Lieblingsschokolade gefunden, die ich in Hamburg schon seit Jahren nicht mehr bekommen habe. "Mint Intense" von Lindt.

malen nach zahlen

die akkurat geschnittenen gewächse an öffentlichen
plätzen verfolgen mich bis in den tiefsten schlaf

meine ordnung ist nicht genug für diesen teil
der welt und selbst der regen hat einen plan

ich verliere die orientierung in manchen
atempausen
wo der rote faden einfach verloren geht

jemand hätte mir von den stimmen der vögel
erzählen müssen und von den fremden farben

und dass die landschaft zerbricht unter den masten
der telegrafen die jeden punkt mit anderen verbinden

© Horlemann Verlag, 2013


Samstag, 5. Mai 2012

Tag #3


Der Hahn hört heute nicht mehr auf zu krähen. Vielleicht möchte er gerne das Meer sehen. Oder irgendeinen anderen Ort, an den er nicht gelangen kann.

eingewöhnung

die armbanduhr ans messer liefern so könnte
selbst die hand noch schlafen wenn der tag
zu ende geht ein totes ding auf brust auf hüfte
oder bauch der wegweiser in den sturm es gibt

ein morgen doch die vorräte unter der zunge
sind aufgebraucht fast alles ist wieder denkbar
wenn die minuten fehlen die stunden an der
sonne bemessen werden es kann geschehen

in den schatten der wolken dass dieser berg
ausgegraut wird an stellen die allem anderen
unzugänglich sind selbst der beschreibung
wie sehr es schmerzt sie niemals zu erreichen


© Horlemann Verlag, 2013

Freitag, 4. Mai 2012

Tag #2


Sa Pobla hat eine Kirche. Wir haben sie allerdings nicht gefunden. Macht aber nichts, denn es gibt ja noch das Rathaus, das wie eine Kirche aussieht.

stadt ohne kirche

seit heute kann ich meinen augen nicht mehr
trauen. das haus mit dem wind an jeder ecke
fasst mich im nacken, wo der reiseführer keine
empfehlung macht. dort siegt der baumpilz
über den löwenzahn, das essen steht nicht
auf der karte, die tropfsteine kommen zu spät
oder bleiben eine illusion. wer könnte mir nun
glaubhaft versichern, dass ich hier war, es gibt
keine beweise, nicht mal indizien, kein bild eines
lächelns auf der kamera mit passendem datum.


© Horlemann Verlag, 2013

Donnerstag, 3. Mai 2012

Tag #1


Die erste Nacht in einem neuen Bett wird überschätzt. Man schläft schlecht, und dabei ist es ganz egal, wie toll das Bett ist oder wie grandios die Umgebung. Die erste Nacht in einem neuen Bett ist schräg. Selbst wenn das Bett gerade ist, scheint es immerzu zu kippen.

orte an denen man aufwacht

orte an denen man aufwacht
in der nacht wenn man sich nicht
erinnert wo das bett zu ende ist
oder wie ein regen sich anhört

orte an denen der schlaf reift
zu dem was du bist und deine
zunge im mund dir fremder wird
als jede einzelne deiner lügen


© Horlemann Verlag, 2013

Mittwoch, 11. April 2012

28 Tage Mallorca - 28 Gedichte


Dank eines Stipendiums der Hamburger Kulturbehörde verbringe ich den Mai gemeinsam mit dem Schriftsteller Gunter Gerlach in inspirierender Abgeschiedenheit auf dieser wunderschönen mallorquinischen Finca. Ich hatte mich um das Stipendium mit einem Lyrikprojekt beworben. Um mich davon abzuhalten, vor Ort dann doch wieder gänzlich auf Prosa umzuschwenken, habe ich vor, an jedem vollständig auf Mallorca verbrachten Tag ein Gedicht zu schreiben und am selben Tag ein paar Zeilen daraus in meinem Blog zu posten. In der Regel werden es nicht die kompletten Gedichte sein, denn es soll ja noch jemand meinen nächsten Lyrikband kaufen, sofern nochmal einer erscheint. Jawohl. Da kenn ich nix.

Es müsste in der Finca inzwischen einen Internetzugang geben, dessen Funktionstüchtigkeit bislang allerdings nicht bestätigt werden konnte. Wenn in meinem Blog also ab dem 3. Mai keinerlei Lyrikbrocken auftauchen, dann bin ich entweder leider doch ohne Internet - oder mit dem Flugzeug abgestürzt.

Montag, 19. März 2012

O-Töne im Deutschlandradio


Für die Sendung "Noch dreieinhalb Tage bis zum Jüngsten Gericht - Schulamokläufe im Roman" wurde ich vom Deutschlandradio interviewt. Mein Roman "Nach dem Amok" wird als Beispiel für eine literarische Bearbeitung des Szenarios "School Shooting" für jugendliche Leser vorgestellt.

Sendetermin:
Deutschlandradio Kultur
10. April 2011, Beginn 19.30 Uhr

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/literatur/1673178/


NACHTRAG: Unter dem v.g. Link ist jetzt auch das Manuskript mit dem genauen Wortlaut der kompletten Sendung eingestellt. Neben meinem Buch wurden Werke von Ines Geipel, Joachim Gärtner und Clemens Meyer vorgestellt.

Freitag, 10. Februar 2012

Fötus im Fahrstuhl











Montag, 23. Januar 2012

Tom Lüneburger // Lights


... one more little step and just expect the best ...

Ich besitze das am vergangenen Freitag erschienene Album "Lights" ja gar nicht. Ich glaube allerdings, dass dies nicht so bleiben wird. Spätestens seit dem gestrigen Konzert im LOGO glaube ich das. Klavier, Gitarre, Stimme. Mehr brauche ich nicht, um mich an solch einem Abend wohl zu fühlen *. Vorausgesetzt, die richtigen Leute befinden sich auf der Bühne, und das war der Fall.

Meine erklärten Lieblinge auf dem "Lights"-Album: "Don't Lose Heart" und "The Driven Man".

Und natürlich "Tonight" - ein Song, der seinerzeit bereits auf dem Album "Perfect View" von Myballoon zu finden war, der aber in der neuen Version noch um einiges intensiver rüberkommt. Live sowieso: Stimme und Klavier. Tom und Stoffel. Einfach nur wunderbar.





* unterschlagen wurden der liebgewonnene Begleiter, das Glas Rotwein sowie die vorhandenen Sitzgelegenheiten