Sonntag, 31. Mai 2009

Roman - Miniauszug II


Wenig später steht Brigitte auf einem überdachten Bahnsteigabschnitt und sieht ein Stück weiter links den milchigtrüben Himmel. Es soll bislang der wärmste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sein, hat sie vorhin im Radio gehört, während Dennis ihr von dem Roller erzählt hat, den er unbedingt haben muss. Dieser Himmel dort links. Dieses grelle Milchkleid, durchzogen von Drähten. Ein Ausschnitt der Stadt, repräsentativ, denkt Brigitte, so ist das. Weiter hinten eine Brücke, einige Hochhäuser, dann verliert sich die Spur. Um Brigitte drängen sich mehr und mehr Menschen, die S-Bahn hat Verspätung, mal wieder. Warum habe ich nicht das Auto genommen. Ein Mann stellt sich links neben sie, verdeckt den größten Teil des Himmelausschnitts. Der Mann riecht nach Zigaretten und Erkältung. Der wärmste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Die S-Bahn fährt ein, Brigitte kommt fast nicht mit, dann geht es doch, eingeklemmt zwischen noch mehr Leuten mit Zigaretten- und Erkältungsgeruch, auch Kaffee ist dabei und Schlaf. Der Schlafgeruch ist der schlimmste, er kommt von denen, die heute noch keine Zähne geputzt haben und ist eine Mischung aus Erkältung und Tod.

- aus einem aktuellen Romanprojekt -

2 Kommentare:

  1. Das Grundgesetz der Bewegung und daraus resultierend des Bewegt-Werdens ist/war schon immer faszinierend: Sich bewegen / bewegt werden zwischen den Drähten, die sich als Ausdünstungen des Lebens zwischen dem Morgen und dem Abend vor dem "Milchkleid" des Himmels spannen.

    Ich persönlich liebe Bilder von Bahnhöfen.
    tjm.

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  2. Ein überaus dichtes Bild zeichnest du hier.
    Ich mag Bahnhofsstimmung auch gern, dieses einerseits Gestaute, andererseits Flüchtige.

    Gern gelesen, Myriam!

    LG
    ELsa

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